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Kultur : Porschefahren in Kassel

Klaus Stern hat den Aufstieg und Fall des Hochstaplers Mehmet Göker dokumentiert, der mit privaten Krankenversicherungen absurd reich geworden ist

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„Ich wünsche viel Spaß bei den Ermittlungen weiterhin“, sagt Mehmet Göker mit siegessicherem Blick in die Kamera. Er sitzt in einem rot-weiß-gestreiften Bayern-München-Trikot im Wohnzimmer seines luxuriösen Ferienapartments an der türkischen Ägaisküste, vor sich einen Teller mit Melonenstücken. Seit fünf Jahren wird gegen Göker wegen des Verdachts der Untreue, der Insolvenzverschleppung und des Verstoßes gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ermittelt. Es scheint ihn alles nicht zu kratzen.

Dass Göker nichts aus seiner Vergangenheit gelernt hat, ist das eigentlich Irritierende an Klaus Sterns Dokumentarfilm Versicherungsvertreter. Der Film erzählt den Aufstieg und Fall des Unternehmers Mehmet Göker, der mit seiner 2003 gegründeten Firma MEG private Krankenversicherungen verkaufte und dank astronomischer Provisionen absurd reich wurde. 2008 wurde er wegen Steuerhinterziehung angeklagt und zu einer Geldstrafe in Höhe von 720.000 Euro verurteilt. Göker gab Geld aus, bevor es verdient hatte, fuhr mit dem Porsche durch Kassel und lud seine Mitarbeiter auf opulente Luxusreisen ein.

Klaus Stern verfolgte das Wirken Gökers, seit der die Bühne des Erfolgs betrat. Nach der Insolvenz des Unternehmens im Jahr 2009 interviewte er Gökers Ex-Mitarbeiter. Auch der Ex-Firmeninhaber kommt ausgiebig zu Wort. Stern montiert sein Material, das zum Teil auch aus freigiebig zur Verfügung gestellten Firmenvideos besteht, anti-chronologisch, manchmal dynamisch, meistens aber ziemlich nüchtern. Schnelle Zooms oder harte Schnitte bleiben die Ausnahme.

Guru vor blauem Hintergrund

Die Geschichte, die Stern erzählt, ist hanebüchen. Das System Göker basierte Mitarbeitern zur Folge zu einem großen Teil auf Ausbeutung, Mobbing und Überwachung. „Der Druck war unerträglich hoch“, sagt einer von ihnen im Film. „Überall waren Kameras in den Gängen.“

Göker selbst inszenierte sich nicht selten als Guru. In einer der eindrucksvollsten Szenen erscheint er auf einer Bühne vor blauem Hintergrund. In Nebelschwaden eingehüllt, verkündet er seine Weisheiten, an die er selbst zu glauben scheint: „Nichts hindert dich daran, ordentlicher und fleißiger zu werden, ein perfekterer Mensch - ausser du selbst.“ Was für ein Irrtum.

In einer anderen Szene kniet Göker auf einer Firmenveranstaltung vor einem Mitarbeiter nieder. „Ich würde mich freuen, wenn du mein Mann wirst“, sagt er und fährt in pathetischem Tonfall fort: „Trag diesen Siegelring mit dem Logo der MEG-AG in echtem Silber dein Leben lang.“ Ein anderer Mitarbeiter, der vor Sterns Kamera die Szene auf einem Laptop Revue passieren lässt, kann es nicht fassen. „Ach du scheiße“, ruft er und wendet sich peinlich berührt vom Bildschirm ab. Es scheint ihm schwerzufallen, zu glauben, dass er einmal selbst Teil der Firma war. Auch der Zuschauer schämt sich fremd.


Filmemacher Stern zeigt die Karriere Gökers, ohne selbst dazu Stellung zu beziehen. Am Ende des Films scheint Göker nichts aus seinen Fehlern gelernt zu haben. Er sei sich keiner Schuld bewusst, sagt er, trotz seines aktuellen Schuldenstands von 21 Millionen Euro. Als Zuschauer hat man den Eindruck: Göker ist nicht wirklich in der Lage, selbst zu reflektieren, was er da getan hat. „Gier frisst Hirn“, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter Gökers. „Das ist der Spruch, den der Mehmet sehr sehr oft gebraucht hat. Nur leider Gottes hat er selbst nicht mehr bemerkt, dass er für diesen Spruch das beste Beispiel war.“

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