Wie formt man aus elfeinhalb Tonnen Kunststoffharz eine Skulptur? Künstler wie Rachel Whiteread brauchen Kunsthandwerker. Vier von Ihnen erzählen von ihrer Arbeit
Rachel Swaiston hat Mitte der Neunziger für Damien Hirst Spot paintings gemalt, bevor sie Dekorateurin wurde
Die Punkte zu malen war ziemlich dröge. Da gibt es nicht viel drüber zu sagen. Die Leinwände kamen an, wurden gespannt und festgesteckt. Damien hat festgelegt, wie groß die Punkte sein sollten und wir haben sie vorgezeichnet. Dann kam eine riesige Lieferung Haushaltsfarben, die wir in kleineren Töpfen zu den Farben zusammenmischten, die wir brauchten. Wir hatten hunderte Farben, keine war zweimal dabei. Für eine quadratische, 2x2 Meter große Leinwand mit Punkten im Abstand von zehn Zentimetern brauchte man ungefähr eine Woche. Jedes der Bilder wurde verkauft.
Es war wirklich ziemlich einfach. Es war alles vorgegeben, Damien musste nicht meh
Übersetzung: Zilla Hofman
h. Es war alles vorgegeben, Damien musste nicht mehr viel dazu sagen. Meistens waren wir zu zweit, je nachdem, wie schnell Damien die Bilder fertig haben wollte. Wir waren bloß kleine Fische. Ich kam grade von der Kunsthochschule und dachte, ich könne nicht einfach irgendwas machen. Also hab ich das gemacht. Obwohl alle Punkte handgemalt und damit nicht perfekt waren, haben die Bilder keine individuelle Qualität.Viele der alten Meister hatten Leute, die für sie gearbeitet haben. Damien hatte die Idee, wir haben sie umgesetzt. Es wäre schön gewesen, wenn wir irgendeine Form der Anerkennung erhalten hätten. Wir hatten nicht den Eindruck, dass er besonders dankbar gewesen wäre. Aber es ist doch schön, sagen zu können, dass man es gemacht hat. Immer wenn meine Kinder in der Schule ein Projekt über berühmte Künstler machen, machen sie etwas über Damien Hirst. Dann können sie sagen: „Meine Mutter hat die Spot Paintings gemalt.“Paul Vanstone war Steinbildhauer für Anish Kapoor und stellt nun seine eigenen Arbeiten ausAnish Kapoors Sachen herzustellen ist ziemlich langweilig, weil sie so methodisch und präzise sind. Bei Veränderungen ging es um Millimeter. Es gab immer viel Hin und Her. Bei meinen eigenen Sachen überlasse ich mehr dem Zufall.Anish kann die Sachen sehr gut selbst: Er kennt sich aus. Steinbildhauerei ist aber eine sehr körperliche Arbeit. Er könnte einen Steinmetz einstellen, nimmt aber lieber einen Künstler, will also offensichtlich dessen künstlerisches Empfinden. Irgendwann war ich für ihn auf Steinbrüchen unterwegs und fuhr auf der Suche nach Materialien in Spanien herum. Das war total nützlich, so etwas würde man nie auf der Kunstschule lernen.Oft wird der Vergleich angestellt, dass man ja auch von einem Architekten nicht erwarten würde, selbst die Häuser zu bauen, die er entworfen hat. Constantin Brancusi hat für Auguste Rodin gearbeitet und Anthony Caro für Henry Moore. Das ist doch nachvollziehbar: Man nimmt auf, was vor einem kam oder lehnt es ab und findet dann hoffentlich eine eigene Stimme. Gleichzeitig kann man sich nicht vorstellen, dass Francis Abcon seine Bilder einfach jederzeit jemand anderem überlassen hätte. Eine Sache, die sich durch die Fabrikation geändert hat, ist, das viele Kunstwerke inzwischen wie Managerspielzeuge sind. Sie sind so kontrolliert. In meiner eigenen Kunst strebe ich mehr eine Art Dialog an.Mike Smith hat unter anderem für Künstler wie Jake und Dinos Chapman, Mona Hatoum, Rachel Whiteread, Mark Wallinger und Damien Hirst gearbeitetDas schwerste Stück, an dem ich je gearbeitet habe, war wohl Monument von Rachel Whiteread. Es war im Jahr 2001 auf der vierten Säule am Trafalgar Square zu sehen und bestand aus elfeinhalb Tonnen Kunststoffharz. Es wurde in zwei Hälften gemeißelt und sah so aus, als stelle es eine Spiegelung der Säule dar. Wir haben drei Jahre lang daran gearbeitet und dann wurde es nur sechs Monate ausgestellt. Müssten wir es jetzt nochmal machen, wäre das aufgrund der Entwicklung bei Materialien und Herstellungsprozessen viel einfacher.Es ist ziemlich ärgerlich, wie wenig die meisten Leute von der Herstellung zeitgenössischer Kunst verstehen. Viele wären entsetzt bei dem Gedanken, Fotografen würden vielleicht ihre Bilder nicht selbst schießen. Aber was glauben sie denn, wie Henry Moore all diese Bronzeskulpturen gemacht hat? Daran ist gar nicht so viel anders als beim Bau eines großen Autos oder Lastwagens. Ich finde, es herrscht zu viel Unwissen über den Prozess. Einige Leute hängen sich daran auf, dass Künstler ihre Sachen nicht selbst machen. Sogar ausgebildete Kunsthistoriker haben damit ein Problem. Erschreckend! Diese moralische Entrüstung – die Vorstellung wir würden alle übers Ohr gehauen weil wir so viel Geld für Arbeiten bezahlen, die die Künstler gar nicht selbst gemacht haben - ist doch lächerlich.Viel interessanter ist, ob ein Teil gut ist oder nicht.Rungwe Kingdon betreibt die Skulpturengießerei Pangolin in Strout, Gloucestershire, die zu den größten Großbritanniens zählt. Dort wurden Stücke für Eduardo Paolozzi, Lynn Chadwick, Damien Hirst und Antony Gormley gegossenIch habe mich als Bildhauer versucht und erkannt, dass ich, obwohl ich alles mögliche konnte, keine Sprache hatte. Wer geschickt ist, kann alles herstellen, das heißt aber nicht, dass es gut gemacht ist oder viele Menschen berühren kann. Die Sprache muss eigen sein. Ein guter Hersteller kann die Sprache eines Künstlers aufnehmen und damit arbeiten – ein bisschen wie ein Übersetzer.Es interessiert mich nicht besonders, wie viele Assistenten Rodin hatte. Ich interessiere mich für seine Sprache, seine Vision. Große Künstler haben eine große Sprache – Rodins war monumental. Vor ihm war alles eng, talentiert und tot.Anerkennung hat mich nie im geringsten Interessiert. Wir sind stille Kollaborateure. Wir haben die großen Ideen nicht selbst. Wir würden verspottet, würden wir es versuchen. Es gibt eine Menge mittelmäßiger Künstler, ich möchte kein weiterer sein.Ich würde nicht einfach für jeden arbeiten. Ich muss in die Sprache reinkommen, sie verstehen. Wir lösen Probleme. Einige Künstler kommen und wollen eine exakte Reproduktion eines Modells.Andere sind nicht sehr praktisch: Sie kommen mit amorphen Ideen und wollen, dass wir aus dem Rauch etwas machen.Wir helfen ihnen, ihre Ideen in etwas praktisch Realisierbares einzupassen. Man geht durch sehr lange Entwicklungszeiten, in denen man mit den Künstlern an den Zeichnungen arbeitet. Hat man dann ein Bild, muss man versuchen, es einem Material anzupassen. Die Arbeit ist also technisch herausfordern und weil Ideen interpretiert werden müssen.Ich denke, wir sollten nicht überrascht sein, dass viele Leute das für unehrlich halten. Wirklich wichtig ist Integrität. Wenn ein Künstler so tut, als hätte er alles selbst gemacht, wäre das nicht aufrichtig. Wir haben es aber mit Künstlern zu tun, nicht mit Scharlatanen.