In israelischen Städten kam es zuletzt häufig zu Übergriffen auf afrikanische Flüchtlinge. Es gab Brandanschläge auf mehrere Gebäude, darunter eine Kindertagesstätte
Zu Wochenbeginn berichtete das israelische Fernsehen, die Stadtverwaltung von Haifa habe örtliche Geschäftsleute gewarnt, sie würden ihre Lizenzen verlieren, falls sie afrikanische Flüchtlinge beschäftigten. Zudem hieß es, Ladenbesitzer in der Stadt Sderot im Süden hätten sich geweigert, Einwanderer zu bedienen. Aus israelischen Statistiken geht hervor, dass in den vergangenen sieben Jahren 60.000 afrikanische Migranten durch die ägyptische Sinai-Wüste ins Land kamen. Viele sind Asylbewerber, die aus dem Sudan, dem Südsudan oder Eritrea vor Unterdrückung oder Krieg geflohen sind.
Israel scheint nun, ähnlich wie Europa, von der Sorge erfüllt, von Flüchtlingen aus Entwicklungsländern überschwemmt zu werden, w
Übersetzung: Zilla Hofman
werden, wobei diese Ängste – möglicherweise wegen der Lage des Landes – besonders tief sitzen. Bislang versuchten die Behörden, diesen Strom einzudämmen, indem entlang der ägyptischen Grenze ein Stahlzaun und im Süden ein riesiges Auffanglager entstanden. Zudem wurde gerade ein Gesetz verabschiedet, demzufolge Migranten bis zu drei Jahre lang festgehalten werden dürfen. Seit es verabschiedet wurde, sind weniger als 150 Menschen als Flüchtlinge anerkannt worden.Die Reaktionen der Politik sind nicht weniger verstörend als die Szenen auf den Straßen. Gerade meinte Innenminister Eli Yishai: „Die meisten der Leute, die hier herkommen, sind Muslime, die der Ansicht sind, das Land würde nicht uns, den Weißen, gehören.“ Weiter bezeichnete er die Flüchtlinge als Vergewaltiger und Kriminelle. Miri Regev, Likud-Abgeordneter in der Knesset, nannte die in Israel lebenden Sudanesen ein Krebsgeschwür. Dagegen übte der ehemalige TV-Moderator und aufstrebende Politiker Yair Lapid im Mai heftige Kritik an einigen Knesset-Abgeordneten, die er als „Aufwiegler“ zu einem Pogrom bezeichnete: „Ich frage mich, woher die den Nerv haben, sich Juden zu nennen“, schrieb er.Der Anblick jüdischer Israelis – selbst Söhne und Töchter von Flüchtlingen –. die mit jedem rassistischen Slogan, Bilder der historischen Judenpogrome in Europa heraufbeschwören, ist nicht leicht zu verdauen. Eben so wenig wie die unbehagliche Tatsache, dass sich in Israel so leicht Hass auf Flüchtlinge schüren lässt. Nachdem jahrelang sowohl in den besetzten Gebieten, als auch im Inneren eine Separationspolitik zwischen Juden und Palästinensern umgesetzt wurde, hat das Land eine Form des Alltagsrassismus und der puritanische Bewertung des „Anderen“ ausgebrütet, innerhalb derer negative Einstellungen gegenüber Migranten gedeihen können.Kein Wunder Vergangenen Monat sagte der israelische Historiker und Kommentator Tom Segev gegenüber der AP: „Am verstörendsten empfinde ich die rassistische Atmosphäre. Die israelische Gesellschaft bewegt sich nun schon seit einigen Jahren in diese Richtung.“ Bei einer Kundgebung gegen Migranten im Vorjahr erklärte eine Teilnehmerin ihre feindselige Einstellung so: „Das sind keine Juden. Warum sollten sie hier bei uns sein?“ Schon die Sprache spricht Bände: Demonstranten, Politiker wie Reporter sprechen von den afrikanischen Flüchtlingen immer wieder als Eindringlingen und benutzen damit genau den gleichen angstmacherischen, sicherheitsbewussten Begriff, der auch den Palästinensern gilt. Kein Wunder, dass das Gesetz zur Verhinderung von Infiltration, das in den fünfziger Jahren erlassen wurde, um die Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge zu unterbinden, gerade ergänzt wurde und nun auch auf Afrikaner anwendbar ist.Derweil macht sich überall tiefsitzende Sorge über die demographischen Zahlen bemerkbar. Rabbiner und Minister warnen, dass die Migranten, genau wie die Palästinenser – eine Art Geburtsraten-Angriffstaktik anwenden, um die jüdische Bevölkerung zahlenmäßig in die Minderheit zu bringen und die Nation untergehen zu lassen.Die Rhetorik mag aufgeladen sein, im Grunde aber wiederholen die extrem rechten israelischen Politiker einwanderungsfeindliche und antimuslimische Einstellungen der aufsteigenden extrem rechten Parteien in Europa. Ein Zufall ist das nicht, perverser Weise haben die beiden Lager Gemeinsamkeiten entdeckt. In den jüngsten Jahren waren israelische Minister Gastgeber für die Anführer der extremen europäischen Rechten und haben dabei klar gemacht, dass sie bezüglich der vermeintlichen Bedrohung durch den Islam und (vor allem muslimische) Migranten gemeinsame Werte hätten. Geert Wilders, der Chef der niederländischen Freiheitspartei, ist einer der extremen Rechten, die Israel besucht und dort stramm rechte Minister getroffen haben. Während einem dieser Besuche, bei dem er mit Außenminister Avidgor Lieberman zusammenkam, sagte er, Israel sei die Front im Kampf gegen den Islam. „Wenn Jerusalem fällt“, warnte er. „Werden Amsterdam und New York die nächsten sein.“Für die extrem rechten Parteien Europas ist diese Verbindung eine gute Sache. Sie wollen ihr Image aufpolieren, denn ihre antisemitische Geschichte verhinderte bislang, dass sie im Mainstream Akzeptanz fanden. Das Forschungsinstitut Institute for Strategic Dialogue warnt, dass rechtsextreme Parteien in Europa unter anderem Aufwind hätten, weil sie opportunistisch ihren Antisemitismus begraben und dafür Stellung gegen den Islam und muslimische Migranten bezogen hätten, was offenbar besser ankommt. Was für ein Glück für sie, dass jüdisch-israelische Politiker ihnen dabei behilflich sind.Und für die extreme israelische Rechte ist es ohne Zweifel tröstlich, Verbündete zu finden, die ebenfalls von einer israelischen Frontstellung im Kampf gegen den Islam sprechen. Die Angriffe auf afrikanische Flüchtlinge, die derzeit in Israel stattfinden, sind schlimm genug. Sollten diese Ausbrüche aber auch nur halbwegs eine verbindende Agenda zwischen europäischen Faschisten und extrem rechten israelischen Nationalisten andeuten, wäre das eine gefährliche Verbindung – und ein Problem für Migranten, Juden und Muslime überall auf der Welt.