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Harry Belafonte hat in vielen Künsten reüssiert, sein Ziel ist die gesellschaftliche Emanzipation. "Sing your Song" dokumentiert diese nicht abgeschlossene Geschichte

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Die Geschichte von Harry Belafonte hat ihre Form gefunden, aber sie ist nicht abgeschlossen. Das ist das Bemerkenswerte an dem Dokumentarfilm Sing your Song von Susanne Rostock. Dabei bedient der Film mit seiner eher anspruchslosen Ästhetik eine Routine, die bedeutende Lebensgeschichten aus Anekdoten addiert und interviewte Wegbegleiter den Ruhm des Porträtierten mehren lässt, bei der die Musik von der Stange kommt und historisches Bildmaterial mit chronologischem Fleiß organisiert wird.

Stilwille, der das Besondere an einer Person hervortreten ließe, statt sie in die durchformatierte Konfektion einer allgemeinen Behauptung von Größe zu zwängen, ist Sing your Song weitgehend fremd. Wenn Belafonte zu Beginn durch die leere Wohnung eines vergangenen Privatlebens geht, dann verbindet sich damit nicht der Bühnenraum, auf dem die Revue eines außerordentlichen Lebens inszeniert würde. Vielmehr resultiert das Motiv eines gewissen privaten Wankens im Glück der dritten Ehe, die Belafonte 2008 mit der Fotografin Pamela Frank eingegangen ist.

Für einen global-politischen Charakter wie Belafonte wäre dieser Fluchtpunkt von privater Erfüllung eine unpassende Pointe, sagte doch eines seiner Kinder einmal ohne Zorn den schönen Satz: „Er hatte zwei Familien – uns und die Menschheit.“ Insofern ist es löblich, dass Sing your Song nicht mit einer Hochzeit endet; dass die Standards eines gerade in Amerika gepflegten dokumentarischen Erzählens nicht dämmen können, was sich in dieser reichen Lebensgeschichte Bahn bricht.

Sprung in den Hotelpool einer offen rassistischen Gesellschaft

Kraft entwickelt Rostocks Film durch seinen Protagonisten. Man nimmt die Ressorts der Kunst, in denen Belafonte reüssierte als Schauspieler, Sänger, Entertainer, immer nur als Haltestellen einer Reise wahr, an deren Ziel gesellschaftliche Emanzipation steht. Im Rückblick auf das Engagement wird etwas sichtbar, das in aktuellen Debatten nachdenklich stimmt: Wer wissen will, was ein Tabu ist, von dem mediale Erregung heute suggeriert, eins nach dem anderen müsse gebrochen werden, der sieht den Auftritt Belafontes mit der weißen Sängerin Petula Clark, bei dem beide sich anfassen. Oder hört die Geschichte vom Sprung in den Hotelpool einer offen rassistischen Gesellschaft, den Männer mit Gewehren an den Balkonen benachbarter Häuser flankieren.

Die Bescheidenheit, mit der Belafonte immer wieder hinter das Wir der Sache zurücktritt, lenkt den Blick von einem faszinierenden Mann an den Schnittstellen des 20. Jahrhunderts (die Unterstützung der Unabhängigkeitsbewegung in Afrika führte zum Studium von Barack Obamas Vater in den USA, Belafontes Filmproduktion zur Aneignung von Hip-Hop in der DDR), auf einen dauernden Kampf gegen Apartheid. Man begreift neu, dass sich ein Who-is-Who der Popmusik, wie Belafonte (selbst in hinterer Reihe) es in dem We are the World-Clip der Hungerhilfe-Aktion „USA for Africa“ versammelt hat, nicht der Imagepflege von Stars verdankt. Sondern dass Prominenz, wie Belafonte und sein Kommilitone Marlon Brando sie als Künstler errungen hatten, Schutz durch Öffentlichkeit für die schwarze Bürgerrechtsbewegung der sechziger Jahre bot. Den einzigen.

Vor diesem Hintergrund stimmt die Qualität von Sing your Song traurig. Harry Belafonte kann auch deshalb nicht eitel auf sein Lebenswerk zurückschauen, weil sein Einsatz nicht zu einem Ende gekommen ist: Der institutionalisierte Rassismus von vor 50 Jahren wird heute unausgesprochen von der amerikanischen Gefängnisindustrie verwaltet.

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