Der Traum vom ewigen Leben ist von der Religion nun endgültig in die Wissenschaft gewandert. Aus dem Heilsversprechen wird das Heilungsversprechen. Wollen wir das?
Um die Jahrtausendwende, als Craig Venter sich gerade anschickte, die genetische Himmelsleiter zu erklimmen und mit der Shotgun-Methode das geheimnisvolle Buch der Natur aufzuschießen, zettelte die FAZ eine bizarre Debatte über eine Zukunft an. Das war eine Zukunft, die angeblich ohne den Menschen auskomme, weil Robotik, Gentechnik und Nanotechnologie künftig nicht nur das menschliche Design bestimmten, sondern das Menschliche überhaupt mit den neuen Technologien verschmelze.
Protagonisten dieses technischen Utopismus waren unter anderen der Softwareentwickler Bill Joy und der Autor Ray Kurzweil, die, wenn zwar nicht in den Konsequenzen, so doch in der Analyse einig darin waren, dass nicht auf den realen Kriegsschauplätzen, sondern in den wissenschaftlichen Laboren
haftlichen Laboren und Bastelwerkstätten das letzte Wort über das Schicksal der Menschen gesprochen würde. Das Ziel sei, so Kurzweil damals, „das Alter rückgängig zu machen“ und durch therapeutisches Klonen „unseren Körper zu verjüngen und ihn fast unendlich funktionsfähig zu erhalten“.Unterkomplexe Kreatur MenschDer Traum vom ewigen Leben ist in der Moderne von der Religion in die Wissenschaft ausgewandert, auch wenn er meist nicht als Heils-, sondern als Heilungsversprechen auftritt. Dass seit der Sequenzierung des Genoms die Stammzellforschung – und insbesondere das zu Forschungszwecken unternommene, fälschlicherweise „therapeutisch“ genannte Klonen – in den Mittelpunkt rückte, ist auf die durchaus ja faszinierende Idee zurückzuführen, dass kein chemischer Cocktail und auch kein chirurgischer Schnitt vonnöten zukünftig sein werden, sondern nur menschliches Substrat allein: Zellen, die man isolieren, reprogrammieren und mit neuem Auftrag versehen kann. Als besonders entwicklungsfähig gelten Zellen von Embryonen, die sich, in eine entkernte Eizelle geschleust, vermehren und in jede beliebige Körperzelle – im Idealfall in ein neues Organ – entwickeln lassen.Vor einem Jahrzehnt winkten im Clon-Dyke Ruhm und Geld, was im Gefolge der Visionäre auch geschäftstüchtige Goldschürfer auf den Plan rief. Gemeinsam mit Ian Wilmut, der 1997 „Vater“ des ersten Klon-Schafs Dolly wurde, brachten Veterinäre ein Modell zur Nachahmung in die Welt, das – wieder einmal – vorführen sollte, wie unterkomplex die Kreatur Mensch ist. Genetisch ohnehin fast auf dem Niveau von Fruchtfliegen, schien es, sollten die Replikations-Ingenieure Recht behalten.Kein Klonverbot in EuropaDer Doppelgänger-Schrecken, den Dolly entlarvt hatte, fuhr der Welt derart in die Knochen, dass sie sich fast zu einem Verbot der gesamten Klonerei durchgerungen hätte. Fast. Denn dem Alleingang eines gewissen Joschka Fischer ist es zu verdanken, dass die UN nur das reproduktive Klonen ächtete. Mit Deutschlands Votum fehlte die entscheidende Stimme, auch das Forschungsklonen auf den Index zu setzen.Das war etwa zur selben Zeit, als der südkoreanische Veterinär Hwang Woo Suk behauptete, den ersten menschlichen Klon geschaffen zu haben. Das war eine glatte Lüge, wie sich später herausstellte. Die Wissenschaftsgemeinde reagierte düpiert und nahm Abstand. Keine ethische Kritik vermag Wissenschaft je so nachhaltig in Misskredit zu bringen, wie die eigenen „schwarzen Schafe“.Ob ein weltweites Klonverbot allerdings diese Suchbewegungen gebändigt hätte, steht auf einem anderen Blatt. Immerhin zeigt sich in Europa, dass das Interesse an der Klonerei zumindest eingedämmt werden kann. Seitdem das therapeutische Klonen in der EU nicht mehr gefördert wird und neuerdings auch keine Patente mehr auf embryonale Stammzell-Linien angemeldet werden können, ist das Feld nicht mehr so attraktiv.Konzentration auf adulte StammzellenDie Anstrengungen haben sich auf die Forschung an adulten, aber „verjüngbaren“ Stammzellen verlegt. Weil dabei weder Embryonen noch weibliche Eizellen benötigt werden, ist dieses Forschungssegment zumindest ethisch unbedenklicher, medizinisch aber nicht unproblematisch. Denn alle Stammzeilen neigen dazu, sich unkontrolliert zu vermehren und Krebs auszulösen.In den Schutzzonen der uneindeutigen UN-Deklaration hingegen laborierten die Forscher weiterhin am Embryo. Im Jahr 2008 behauptete Robert Lanza vom US-Unternehmen Advanced Cell Technology, er habe ES-Zellen aus einem Embryo gewonnen, ohne ihn zu zerstören. Eine Forschergruppe im kalifornischen La Jolla ging kurz darauf mit der Nachricht hausieren, sie habe aus den Fibroblasten einer Hautzelle einen Embryo geklont.Und nun also ein sogenannter neuerlicher Durchbruch im Klon-Graben, diesmal von einem Team um Masahito Tachibana und Shoukhrat Mitalipov in Portland, Oregon. Im Prinzip nutzten sie dasselbe Verfahren, mit dem Ian Wilmut das unglückliche Schaf Dolly hergestellt hatte, allerdings erheblich optimiert. Sie transferierten die Kerne einer Hautzelle in eine entkernte Eizelle und kultivierten im Labor Embryonen. Nach mehreren Zellteilungen wurden einzelne, noch totipotente Zellen, die das Vermögen haben, sich in jede beliebige Zelle weiterzuentwickeln, entnommen. Diese Linien sind das Ausgangsmaterial nicht etwa für therapeutische Maßnahmen, sondern für weitere Grundlagenforschung.Sehr junge SpenderinnenNeu ist das Verfahren also nicht. Doch offenbar führten die Forscher das Experiment so effizient durch, dass sie eine erstaunlich reiche „Zellernte“ einfuhren, was auf die Auswahl der Eizell-Spenderinnen zurückzuführen ist und auf banales Koffein, mit dem die Eizellhülle präpariert wurde. So verdoppelte sich die Ausbeute an geklonten Embryonen.Der Datenfälscher Hwang hatte für seinen „Durchbruch“ damals 2061 Eizellen von 129 Spenderinnen verbraucht, um die Wissenschaftsgemeinde hinters Licht zu führen. Von den Eizell-Spenderinnen für das Portland-Experiment erfährt man, dass sie zwischen 23 und 31 Jahre alt waren, einen BMI unter 28 aufwiesen und ihr „Material“ von „hoher Qualität“ gewesen sei. Für die Spende seien sie in nicht erwähnter Höhe entschädigt worden. Über die Strapazen und Risiken der Hormonbehandlung wird ebenso geschwiegen wie über die Notlagen, die die Frauen dazu gebracht haben könnten, ihre Eizellen zu verkaufen.Menschlicher Klon? Nein, nein!Natürlich bestreiten die Wissenschaftler, je einen menschlichen Klon herstellen zu wollen. Aber sollte das Experiment wiederholt werden können und gültig sein, haben sie gezeigt, dass dies prinzipiell möglich ist. Sie haben ein Alleinstellungsmerkmal reklamiert, das in der Wissenschaftswelt Gold verspricht. Sich Zurückhaltung aufzuerlegen, weil andere Missbrauch mit den Ergebnissentreiben könnten, scheint in einem extrem wettbewerbsorientierten System nicht mehr opportun.Viele europäische Forscher kommentieren die Portland-Experimente bissig: Er sei skeptisch, dass sie weiterbrächten, gab der Bonner Forscher Oliver Brüstle, der sein jahrelang gerichtlich verteidigtes Patent auf embryonale Stammzellen Anfang dieses Jahres endgültig verloren hat, zu Protokoll. Miodrag Stojković, einstiger Klon-Pionier und heute im forschungsliberalen Spanien tätig, wundert sich, dass im Zeitalter der reprogrammierbaren iPS-Zellen überhaupt noch kloniert würde.Auf dem Höhepunkt des amerikanischen Stammzellstreits, als George W. Bush die öffentlichen Gelder für Forschung an Embryonen strich, kam es in Washington zu einer bemerkenswerten Bilderdemonstration: Abtreibungsgegner waren mit Plakaten mit winzigen Zellklümpchen in der Petrischale erschienen und hatten den Slogan „Welches meiner Kinder würden Sie töten?“ darauf geschrieben. Forschungsbefürworter wiederum konterten mit Fotos von kranken Kindern. Doch vielleicht legen beide sehr emotional grundierten Positionen eine falsche Fährte.Die Uneindeutigkeit der UN-Deklaration bot allerdings jene Schutzzonen, in denen die Klonversuche fortgesetzt werden konnte. Die eine, weil es nicht um Embryonen, sondern um die Verbrauchslogik des Forschens geht; die andere, weil mit embryonaler Stammzellforschung bislang gar keine Therapien in Sicht sind.