Immer mehr Reedereien engagieren Söldner aus hiesigen Security-Firmen, damit sie ihre Frachter vor Angriffen schützen. Die Aufrüstung zur See lohnt sich – für fast alle
Armin S. (der Name ist verändert) wohnt in einem besseren Viertel einer deutschen Großstadt, in einer großzügig eingerichteten Wohnung. Früher hat der 30-Jährige als Scharfschütze der Bundeswehr gedient, ein Kombattantenjob, der ihn in den Kosovo und nach Afghanistan führte. Danach stand er an den Türen von Diskotheken oder gab Prominenten wie Madonna und Dita von Teese als Bodyguard Geleitschutz. Seit zwei Jahren arbeitet er nun als Söldner. Er beschützt, bewaffnet mit einem 7,62-Kaliber-Gewehr, deutsche Frachtschiffe auf dem Indischen Ozean vor Piratenangriffen. Gerade ist er von seiner achten Mission zurückgekehrt.
„Es steckt eine Menge Kohle dahinter. Jeder will ein Stück vom Kuchen abhaben. Unternehmen aus Deutschla
Deutschland sind ganz vorne mit dabei“, sagt er und klingt stolz. Seine Arbeitgeber sind private Security-Firmen, die sich auf „maritime Sicherheit“ spezialisiert haben. Sie schicken Leute in jene Meeresgebiete, in denen junge Somali mit ihren Motorbooten kolossartige Frachter aus westlichen Industrieländern verfolgen, um sie zu entführen.Diese Söldnerfirmen arbeiten mit dem immer selben Argument: Noch nie ist ein Schiff, auf dessen Deck private Security-Kräfte patrouillierten, in die Gewalt von Piraten geraten. Nun verdient Armin S. so viel wie ein Anwalt oder Arzt. Früher, als Soldat, bekam er etwa 2.000 Euro im Monat, als Bodyguard gerade einmal 1.500 Euro. Nun sind es 9.000 Euro. So hoch ist das Honorar für einen 30-tägigen Einsatz auf einem Frachter, den er zusammen mit drei Kameraden verteidigen muss.Gewalt für Geld – das scheint ein Geschäftsmodell zu sein, das in Deutschland auf dem Vormarsch ist. Es herrscht Goldgräberstimmung, wie ein Insider berichtet: „Immer mehr Firmen drängen auf den Markt. Der Bedarf ist rasant gestiegen.“ Mit Unterstützung der Bundesregierung: Sie bereitet ein Gesetz vor, das nicht weniger als eine Zäsur ist. Es sieht die offizielle Erlaubnis von bewaffneten Security-Diensten an Bord deutscher Schiffe vor.Mit einem solchen Gesetz wird der Einsatz von Söldnern aus dem juristischen Graubereich hervorgeholt und auf die Ebene deutscher Staatsräson gehievt. So etwas gab es in der deutschen Nachkriegsgeschichte noch nicht. Nun importieren wir nach dem Blackwater-Prinzip jene Ideologie, die in den USA spätestens seit dem 11. September 2001 eine sicherheitspolitische Selbstverständlichkeit ist. Im Mittelpunkt steht das Auslagern staatshoheitlicher Aufgaben im militärischen oder polizeilichen Segment an private Firmen.Aber worauf hat sich die Bundesregierung da eingelassen? Wer sind die Protagonisten dieser Branche? Will man als Journalist hinter die Kulissen dieses Wirtschaftszweigs blicken, bleiben Fragen unbeantwortet. Die Großen der Branche – Result Group aus Grünwald bei München oder ISN aus dem badischen Rheinmünster – geben keine Interviews. Das war nicht immer so: In den vorangegangen Jahren hat Walfried Sauer, Chef der Result Group, gegenüber anderen Medien noch Stellung bezogen. Dem Behörden Spiegel, einem Fachblatt für den öffentlichen Dienst, erklärte er im November 2011: „Es ist mittlerweile auch politisch unumstritten, dass dieses Problem ohne privat organisierten Schutz nicht in den Griff zu bekommen ist.“ Laut Münchner Merkur betreibt die Result Group in elf Ländern ihre Filialen und beschäftigt 60 fest angestellte und 200 freie Mitarbeiter. Von ISN ist weniger bekannt. Die Website listet Niederlassungen in der Schweiz, in Frankreich, in Hongkong, den USA und Saudi-Arabien auf.Armin S. ist ein kerniger Typ, die Bräune von seinem Auslandseinsatz hat er noch im Gesicht. „Ich bin froh, diesen Weg gegangen zu sein“, sagt er über seinen neuen Job. So ist er in die Kaste der Besserverdienenden aufgestiegen. Aber es geht ihm auch ums Abenteuer: „Viele, die als Soldaten in kämpfenden Truppen gedient haben, zieht es wieder an Krisenorte zurück. Das klingt eigenartig, aber so es ist nun einmal.“ Er erzählt vom „interessanten Gefühl“, ein Nomade zu sein, der in fremden Regionen unterwegs ist, deren Hoffnungslosigkeit einem hierzulande kalte Schauer über den Rücken jagt.Schüsse auf indische FischerDoch seine Auslandseinsätze sind natürlich mehr als nur bizarrer Erlebnistourismus. Es stehen Menschenleben auf dem Spiel. Armin S. muss die Tötung junger Somali in Kauf nehmen, falls der Albtraum eintritt und die Piraten mit ihren rostigen Kalaschnikows das Schiff hochklettern wollen, trotz aller Abschreckungsmaßnahmen wie Leuchtraketen oder Warnschüsse. Dann müsste er scharf schießen – unter Berufung auf den Notwehr-Paragrafen. So weit sei es bislang nicht gekommen. Armin S. kann sich an nur zwei Angriffsmanöver erinnern. Einmal hätte der Abschuss einer Leuchtrakete gereicht. Ein anderes Mal seien die Piraten abgedreht, als sie aus 300 Metern Entfernung ihn und seine Kollegen mit ihren Waffen erblickten.Doch Armin S. erzählt von Gerüchten, die unter seinen Söldnerkollegen die Runde machen. Sie handeln von britischen Security-Leuten, die versehentlich Fischerkutter unter Beschuss genommen haben. Eine Horrorvorstellung, die möglich wird, weil die Boote kaum auseinander zu halten sind. Einen publik gewordenen Präzedenzfall gab es bereits: Im Februar feuerten zwei Soldaten der italienischen Marine vor der Südwestküste Indiens in Richtung eines Kutters. Zwei indische Fischer starben.Der Vorfall zeigt, dass selbst Spezialkräfte nicht zwangsläufig in der Lage sind, ihren Dienst ohne blutige Rechtsverletzungen zu verrichten. Armin S. nimmt dieses Risiko in Kauf – das ist der mephistophelische Pakt, den er eingehen muss, damit er in der deutschen Gesellschaft kein Kleinverdiener mehr ist. Er ist Akteur in einem Konflikt, bei dem es zu wildwestartigen Auseinandersetzungen kommen kann, bei denen die Grenzen zwischen Notwehr und einem Tötungsdelikt schwer zu trennen sind.Deutschland spielt in dieser maritimen Kampfzone eine Hauptrolle. 1.700 Mal pro Jahr passieren Schiffe deutscher Reeder die Risikogewässer im Indischen Ozean. Sechs von zehn Reedereien haben Sicherheitsdienste engagiert. In 95 Prozent der Fälle sind die Teams bewaffnet. Viele davon stammen von deutschen Security-Firmen. Söldnertum als Normalzustand, als „Best-Practice-Methode“, wie ein Betriebswirt sagen würde. Die Bundesregierung legalisiert mit ihrem Gesetzentwurf also ein Vorgehen, das längst praktiziert wird. Doch es geht um mehr: Die schwarz-gelbe Koalition wäscht die Security-Firmen außerdem vom Rambo-Ruch rein und verschafft ihnen eine Image-Politur. Und sie gesteht ein, dass jene Militäroperationen der westlichen Industriestaaten, die ein Ende der Piratenangriffe zum Ziel hatten, nicht die erhoffte Wirkung zeigen. Sowohl Operationen der Nato als auch die Atalanta-Mission der EU haben nicht verhindern können, dass somalische Piraten Seeleute getötet und hunderte Millionen Dollar Lösegeld freigepresst haben. Um volle Protektion zu garantieren, müsste womöglich jeder Frachter von einer eigenen Marine-Fregatte eskortiert werden – das ist aus logistischen Gründen nicht realisierbar.Die Söldnertrupps bilden den verlängerten Arm einer misslungenen Militärmaßnahme. Im Jahr 2011 wurden allein 237 Piratenangriffe gemeldet. In diesem Jahr waren es 71 Zwischenfälle bis Ende Oktober – 13 davon endeten mit einer Entführung. Den Rückgang der gemeldeten Attacken schreiben sich die Sicherheitsfirmen als Erfolg auf ihre Fahnen. Und die Reedereien ziehen die Schlussfolgerung, die Dienste von Söldnern auch in den kommenden Jahren zu beanspruchen – damit die Zahl nicht wieder in die Höhe schnellt. Der Konflikt am Horn von Afrika wird verursacht durch die globale Unwucht zwischen dem Reichtum der Industrieländer, versinnbildlicht durch Meeres-Pötte mit Containerladungen so dollarschwer wie andernorts ganze Volkswirtschaften, und bedrückender afrikanischer Armut. Die Piraten sind Einwohner eines zerfallenen Staatsgerippes. Es wird auf undurchschaubare Weise beherrscht von Islamisten, Warlords und lokalen Clans. Zugleich sind die Schiffspassagen unweit der Küste vielbefahrene Importstrecken für die europäischen Märkte. Auch Armin S. bedauert die somalische Bevölkerung: „Die Piraten handeln aus einer Notsituation heraus. In ihrer Heimat nagen sie am Hungertuch.“In Deutschland wird der Markt der privaten Militärdienstleister noch von wenigen Firmen dominiert. Laut dem Bundesverband der Sicherheitswirtschaft werden keine Zahlen erhoben über die Dienstleistungen deutscher Security-Firmen im Ausland. Aber mit den Anfragen aus der Schifffahrtsindustrie haben sich die Auftragsbücher merklich gefüllt. Reedereien zahlen den Firmen zwischen 50.000 und 100.000 Euro für die Bewachung. Von Piraten, die von deutschen Söldnern getötet wurden, ist bislang nichts bekannt geworden.„Wir machen uns schon Sorgen. Uns wären offizielle Sicherheitskräfte, Soldaten oder Beamte der Bundespolizei auch lieber“, sagt Robert Kühne, Chef der Sicherheitsabteilung der Hamburger Reederei Leonhardt & Blumberg, deren Schiff Hansa Stavanger 2009 mehrere Monate in der Hand von Piraten war. „Bislang haben Warnschüsse immer ausgereicht, um Piraten wieder abdrehen zu lassen. Um das Risiko zu minimieren, stellen wir keine Schleudertruppen ein, sondern kompetente Security-Kräfte, die wir sorgfältig auswählen.“Das große SchweigenHans-Georg Ehrhart vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg aber sagt: „Seitens der Reeder wird viel verschwiegen.“ Und selbst wenn Zwischenfälle etwa an das Schifffahrtsbüro der Internationalen Handelskammer (ICC) gemeldet werden, bleibt die Folgenlosigkeit ein realistisches Szenario, besonders in juristischer Hinsicht.Denn faktisch herrscht auf der Arabischen See ein rechtloses System: Die Anrainerländer kennen keine funktionstüchtige Rechtsstaatlichkeit. Falls Deutsche in einen Zwischenfall verwickelt wären, könnten immerhin hiesige Behörden ein Ermittlungsverfahren einleiten. Dafür müsste der Vorfall aber erst einmal das Bollwerk der Geheimhaltung überwinden. Und das passiert nicht. Der Kapitän eines deutschen Frachters berichtete im Juni dem NDR unter einem Decknamen vom Versagen seines Security-Teams, als Piratenboote heranbrausten: „Es gab keine Warnschüsse, wie eigentlich vorgeschrieben, sondern alle Sicherheitskräfte schossen sofort gleichzeitig immer in Richtung Boot – wie im Rausch.“ Drei von vier Söldner seien aus Osteuropa angeheuert worden. „Sie waren arbeitslos und bekamen dann einfach eine alte Waffe in die Hand gedrückt.“Solche Vorfälle lassen die Branche unseriös erscheinen. Vielleicht ist das der Grund, warum sich die Firma Nordwacht doch entschließt, einen Journalisten zu empfangen: Man will Seriosität demonstrieren. Nordwacht ist ein unscheinbarer Betrieb, dessen Angebotspalette zunächst an eine durchschnittliche Wach- und Schließgesellschaft erinnert. Die Angestellten arbeiten als Pförtner, Wachleute oder Personenschützer. Vor kurzem erst ist die Firma ins Geschäft der Pirateriebekämpfung eingestiegen. Man bemüht sich, die bewaffneten Einsätze auf hoher See harmlos erscheinen zu lassen, eine unspektakuläre Dienstleistung unter vielen.In einem Gewerbegebiet am Düsseldorfer Stadtrand, umrahmt von Feldern, hat sich die Firma in einem schmucklosen Bürogebäude einquartiert. Der Geschäftsführer Bert Kempfert, ein ehemaliger Bundeswehrsoldat mit Igelfrisur und eisernem Händedruck, 47 Jahre alt, weist in sein Büro. Auf den Regalen sind Miniaturmodelle von Flugzeugen und Autos aneinandergereiht. An einem Tisch, drapiert mit Kaffeetassen und Gebäck, wird Platz genommen.Man könnte meinen, hier den Buchhalter einer Versicherungsfiliale zu treffen. Doch die biedere Atmosphäre ist verflogen, als ein Mitarbeiter, ein muskulöser Mittvierziger mit Tattoo am Unterarm, zwei Gewehre auf den Tisch legt. Sie entpuppen sich als Plastikattrappen, der Anblick reicht aber aus, um das Geschäft schockartig zu illustrieren. Nordwacht schickt einen Teil seiner Security-Leute, 16 ehemalige Beamte der Bundeswehr und anderer Einheiten, immer wieder nach Sri Lanka, ausgerüstet mit Gewehrtypen ähnlichen Aussehens. In Colombo steigen sie auf deutsche Containerschiffe, die Fahrt über den Indischen Ozean aufnemen.„Ein supersensibler Bereich“, sagt der Schrank mit den Waffenimitaten, der eigentlich Stephan Klahold heißt und ein ehemaliger Karosseriebauer und Türsteher ist. Nach Umschulungen besteht seine zweite Karriere nun darin, den Heimatoffizier in einem Auslandseinsatz zu geben, dessen Mandat nicht von politischen Gremien erteilt wird, sondern von graumelierten Reedern aus Hamburg. Klahold wählt die Bewerber aus – 90 Prozent von ihnen seien Rambos, allenfalls zehn Prozent könne man einsetzen, erzählt er. Er schult die Männer, taktisch und ballistisch. Er hält mit ihnen Kontakt, während sie wochenlang auf Mission sind. Und er akquiriert mit seinem Geschäftsführer neue Kunden in Norddeutschlands Häfen. Seine Berufsbezeichnung: „Key Account Manager“. Solche BWL-Jobprofile sollen sagen: Nordwacht ist eine GmbH, die nach den Gesetzen der Ökonomie geführt wird, inklusive Profitlogik, versteht sich.Seekriegsähnliche SzenenAber genau diese Jagd nach Gewinnen, mag sie aus kaufmännischer Sicht noch so nachvollziehbar sein, ist der große ethische Schwachpunkt. Nordwacht kann mit seinen Söldnertrupps nur so lange Einnahmen erzielen, wie auf dem Indischen Ozean der Konflikt weiter schwelt. An einer friedlichen Beilegung, etwa durch entwicklungspolitische Förderprogramme, kann das Unternehmen streng genommen nur geringfügig interessiert sein. Und so beantwortet Stephan Klahold die Frage, ob politische Überlegungen bei der Arbeit eine Rolle spielen, klar: „Aus der Politik halten wir uns heraus.“Später führen Klahold und Kempfert in einen Präsentationsraum. Auf einer Leinwand zeigen sie ein Video, dessen Inhalt vertraulich bleiben soll. Es ist ein Werbefilm. Und so viel darf verraten werden: Es geht um allerlei Budenzauber, um Warnschüsse und Pyrotechnik. Während es auf der Leinwand zischt und knallt, setzt Klahold seinen Vortrag fort. „Scharfe Schüsse sind die allerletzte Handlung“, sagt er. Aber was, wenn Präventivmaßnahmen nicht ausreichen? Kempfert mischt sich brüsk ein: „Das passiert nicht. Es gibt keine Schusswechsel.“Dass sich auf der Arabischen See bisweilen seekriegsähnliche Szenen ereignen, beweist ein wackeliges Handy-Video, das im März dieses Jahres aufgenommen wurde. Es zeigt, wie amerikanische Sicherheitskräfte von einem US-Frachter völlig unkontrolliert in Richtung zweier Piratenboote schießen. Bei dem Vorfall gab es vermutlich Tote und Verletzte.Es stellt sich die Frage, ob Söldnerteams überhaupt fähig sind, ihren Job besonnen auszuüben – sie leisten keinen Eid und sind in keine längere Befehlskette eingebunden. Nun glaubt die Bundesregierung, sie könne das Dilemma mit ihrem Gesetzentwurf lösen. Der Kern dieses Gesetzes bestünde aus einem Zulassungsverfahren, bei dem die Firmen unter der Aufsicht des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle auf ihre Tauglichkeit geprüft werden. Unberechenbare Billigheimer sollen durchfallen. Nur Security-Firmen, die qualifiziert sind, werden zugelassen. Tote Piraten wären so gut wie ausgeschlossen, so das naheliegende Kalkül.Atlantik-Route statt SuezkanalDoch so einfach ist es nicht. Denn die Verpflichtung, zertifizierte Security-Teams einzustellen, wäre nur wirksam auf schwarz-rot-gold beflaggten Frachtern. Die machen aber nur ein Achtel der Handelsflotte deutscher Reeder aus. Die Fahrt unter den Standarten von Bananenrepubliken ist beliebter, weil die Reeder dann ihre Seeleute, Philippinen zum Beispiel, mit Dumping-Löhnen abspeisen können.„Der Gesetzentwurf läuft ins Leere, wenn er nur Schiffe unter deutscher Flagge erfasst“, schimpft Bert Kempfert. Er kann sich nicht mit dem Vorhaben des Bundeskabinetts anfreunden. Aber an einem Zulassungsverfahren würde Nordwacht dennoch teilnehmen. Der Geschäftsführer: „Ich möchte beweisen, dass wir gute Arbeit leisten – unabhängig von der Frage, ob die Zertifizierung rechtlich notwendig ist oder nicht.“ Vom Gesetzentwurf geht außenpolitisch eine fatale Signalwirkung aus: Er zementiert den Kurs der Härte, den die Bundesregierung in der Pirateriebekämpfung eingeschlagen hat. Die Regierung betrachtet Söldnertrupps als Baustein einer transnationalen Militäroffensive, deren Erfolg allenfalls in kurzfristiger Repression bestehen kann. Dass sie einer Branche das Vertrauen schenkt, deren Waffendienst auf hoher See undurchsichtig bleiben muss, ist das Produkt politischer Fantasielosigkeit: Die westlichen Industriestaaten haben in den letzten Jahrzehnten die Chance verstreichen lassen, das Landesinnere Somalias zu befrieden und damit die Wurzel der Piraterie im Keim zu ersticken. Nach dem Abzug der UN-Blauhelme Mitte der neunziger Jahre, sagt der Politikwissenschaftler Mathias Weber, Autor des Buchs Kein Frieden für Somalia?, sei „das Land mehr oder weniger sich selbst überlassen worden“.Die Reedereien tragen ebenso Verantwortung: Sie machen die Aufrüstung in der maritimen Gefahrenzone durch Söldner zur Regel, weil viele nicht bereit sind, andere Transportrouten zu wählen. Denkbar wäre nämlich, dass die Frachter die Piratengebiete auf der Arabischen See umfahren. Statt den Suezkanal anzusteuern, könnten sie die längere Route auf der südlichen Halbkugel wählen, in deren Verlauf die Spitze Südafrikas umschifft und der Atlantik passiert wird. Einige Reedereien nutzen diese Möglichkeit. Sie müssen dafür aber einen stärkeren Spritverbrauch hinnehmen – was mit Zusatzkosten von mehr als einer Million Dollar zu Buche schlägt. Private Security-Männer sind billiger. So hat die Tatsache, dass die Aufrüstung kein Ende nimmt, auch damit zu tun: mit dem Streben nach einem finanziellen Vorteil.Ein Profitdenken, das auch auf die Sicherheitsfirmen zutrifft. Nordwacht plant, die Abteilung für maritime Sicherheit weiter auszubauen. Und so ist Geld die Triebfeder, die alle eint in dieser Allianz gegen die Piraterie. Armin S. sagt, er lege seine Söldnersaläre auf die hohe Kante – für die Zeit, wenn er mal Kinder hat. „Aber die nächsten fünf Jahre will ich Gas geben.“