Wieder einmal sind Hilfen aus dem Europäischen Krisenfonds ESM nur gegen harte ökonomische Gegenleistungen des Bedürftigen zu haben. Der Inselstaat musste kapitulieren
Mindestens vier Szenarien für ein Austreten des Brandherdes lagen an diesem dramatischen Wochenende in der Luft. Keines davon war so beschaffen, um Zypern und seinen Finanzsektor auch nur einigermaßen ungeschoren davon kommen zu lassen. Es werden nun vermutlich Tausende Mitarbeiter der Bank of Cyprus und der Laiki-Bank (Volksbank) ihre Beschäftigung verlieren, und diese Häuser selbst in eine Good und Bad Bank aufgespalten, also in ihrer bisherigen Gestalt nicht mehr existieren, während die Insel ihre Anziehungskraft für den internationalen Kapitelverkehr verliert. Ein zweifellos überdimensionierter und riskanter Finanzplatz im Mittelmeer wird Geschichte sein. Ein Verschwinden ohne Wiederkehr. Es ist so, als ob Deutschland nicht mehr wie gewohnt auf die Ex
uf die Exportkraft seiner Automobilindustrie, seines Anlagenbaus oder anderer Branchen zurückgreifen könnte. Wer sich über diesen Vergleich erregt, dem sei er trotzdem nicht erspart. In Griechenland viel verlorenWieder einmal sind Kredithilfen aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und von Internationalen Währungsfonds (IWF) nur gegen eine Art ökonomische Selbstaufgabe des Bedürftigen zu haben. Zypern muss sein bisheriges Geschäftsmodell aufgeben und wird – passend zur Karwoche – ein Kreuz tragen, das die Inselrepublik zum Sanierungsfall in der Eurozone werden lässt. Das Abdriften in eine Rezession scheint unausweichlich. Selten wurde ein Finanzplatz in derart drastischer Weise dem Untergang geweiht. Wer jetzt erklärt, endlich treffe es die Banken und damit endlich die Richtigen, wählt ein schlechtes Beispiel für eine an sich richtige Argumentation. Zypern hat sich als Steuerparadies und von Finanzmagnaten (nicht nur Russlands) geschätztes Anlagedepot angeboten, weil es sonst wenig zu bieten hatte, um in der europäischen Wettbewerbsgesellschaft zu reüssieren. Man sollte zudem wenigstens erwähnen, dass die Finanzindustrie der Insel durch das Desaster in Griechenland seit 2010 viel Geld verloren hat. Allein die Bank of Cyprus büßte 2011 wegen des ersten Schuldenschnitts Hellas-Anleihen von 1,6 Milliarden Euro ein. Die Laiki-Bank war nicht weniger betroffen. Schicksalsmacht EZBEinmal mehr hat beim Fall Zypern die EZB den Beweis angetreten, Staaten retten oder dem Absturz überlassen zu können. Als EZB-Präsident Mario Draghi am 26. Juli 2012 in London formulierte, diese Europäische Zentralbank werde im Rahmen des gegebenen Mandats „alles Notwendige tun, um den Euro zu retten. Und glauben Sie mir, es wird reichen“, war bald klar, was gemeint war: Ein notfalls unbegrenzter Aufkauf nicht refinanzierbarer Schuldverschreibungen extrem klammer Eurostaaten. Draghi konnte seinerzeit aus politischen wie taktischen Gründen nicht hinzufügen, dass „alles Notwendige“ nur für alle „systemisch Relevanten“ getan werde.Dazu gehören in der Eurozone zweifellos Spanien, Italien, Portugal und mit Abstrichen Griechenland, denen Draghi eine Atempause verschafft wollte und verschafft hat. Diese Länder konnten mit den EZB-Garantien im Rücken seit Herbst wieder Anleihen an den Kapitalmärkten platzieren, ohne dafür Verzinsungen von sechs Prozent und mehr hinnehmen zu müssen. Bei Zypern freilich haben die EZB und Mario Draghi offenbar darauf erkannt, dass „alles Notwendige“ getan werden müsse, um der dortigen Notenbank ab 25. März den Rückgriff auf die Emergency Liquidity Assistance (ELA) zu untersagen. Dieses Hilfsprogramm erlaubt Hilfskredite für Banken in Schieflage, ausgereicht von der zuständigen Nationalbank. Die allerdings darf nur zahlen, solange die EZB ausdrücklich zustimmt. Eine Notenbank kann deren Votum natürlich ignorieren und weiter Kredite vergeben, läuft dann aber Gefahr, ohne den Rückhalt der EZB selbst in eine Kreditklemme zu geraten.Über die institutionelle Macht dieser Zentralbank in der Eurozone war man sich seit langem im Klaren. Der Fall Zypern zeigt allerdings, dass dieses Institut auch exekutive Macht besitzt, um über das Schicksal von Staaten zu entscheiden, ohne dafür auch nur einen Hauch an demokratischer Legitimation zu haben. Die Entscheidung, wer die EZB-Präsidentschaft übernimmt, wird bekanntlich zwischen den Regierungen der Eurozone ausgehandelt, die zu ihrem Favoriten noch nicht einmal die nationalen Parlamente befragen müssen. Zyperns in die Enge gedrängter Präsident Nikos Anastasiadis hat am 24. Februar immerhin eine Präsidentenwahl gewonnen (was nebenbei gesagt in Brüssel und Berlin heftig begrüßt wurde). Und doch war seine demokratische Legitimation in Brüssel nicht eben viel wert.